Schuhmacher Peter Berg feiert 85. Geburtstag
Er ist Geschäftsmann durch und durch, sein Schuhhaus ist eine feste Adresse in der Neustraße: Morgen, Freitag, feiert Peter Berg seinen 85. Geburtstag. Immer noch arbeitet er in der Schuhmacherwerkstatt.
Trier. Durch den Flur des Hauses Neustraße 58 wabern seichte Pfeifenschwaden. Im Wohnzimmer, erster Stock, mit ausgezeichnetem Blick auf das bunte Gewimmel der Einkaufszeile, sitzt Peter Berg an seinem Sekretär. „Die Neustraße war schon vor 26 Jahren eine belebte Einkaufsstraße“, erinnert sich Berg, der am 4. Juni 85 Jahre alt wird. Bereits damals habe es viele kleine Geschäfte gegeben. Tante-Emma-Läden, ein Eisenwarengeschäft, einen Laden für Metzgereibedarf, einen Buchhandel und später auch einen Bioladen. „Die Straße hat sich aber enorm entwickelt, früher gab es noch Durchgangsverkehr, und es war sehr laut“, sagt Berg.
1984 war es, als der Schuhmacher aus Oberpierscheid in der Eifel von Ahrweiler nach Trier und damit in die Neustraße kam, um ein Schuhgeschäft zu eröffnen. Seitdem ist das Schuhhaus Berg eine feste Adresse. Dabei ist das Geschäft eigentlich viel älter. „Meine Ausbildung habe ich noch vor dem Krieg gemacht“, erzählt Berg. Er ist im Gegenlicht des Wohnzimmerfensters nur schemenhaft zu erkennen, seine sonore Stimme hat der Pfeifentabak über die Jahre geschmeidig gemacht. „Damals musste ich als 15-Jähriger täglich sechs Kilometer zu meinem Lehrbetrieb zurücklegen, im Sommer mit dem Rad, im Winter zu Fuß.“
Als er gerade 17 Jahre alt war, schickte das Vaterland ihn an die Ostfront. „Am Anfang waren noch alle begeistert. Nach wenigen Wochen hatten die meisten begriffen, was für ein Grauen das war.“ Das war 1942. Trotz Verwundung ging der Krieg für ihn glimpflich aus, er sprang nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft in Tschechien bei Altenburg in die Elbe, wurde von Amerikanern aufgegriffen und war bei Kriegsende wieder daheim. „Ich habe meine Meisterprüfung gemacht und bin dann von Hof zu Hof gegangen, um dort Schuhe zu reparieren. Mein Tageslohn: ein Pfund Speck.“ Berg lacht. „Den habe ich dann in der Schuhstadt Pirmasens gegen vier Paar Schuhe getauscht.“ Das war der Einstieg in den florierenden Schuhhandel.
1953, kurz nach der Hochzeit mit seiner Frau Susanne, entsteht das erste Geschäftslokal in Weidingen (Eifelkreis Bitburg-Prüm). In Bergs Wohnzimmer steht eine alte Standuhr. „Sie läuft jetzt nicht, weil sie manchmal etwas zu laut ist. Habe ich damals von meinem Vermieter in Ahrweiler bekommen.“ Dorthin zog er 20 Jahre nach seiner ersten Geschäftsgründung. Zehn Jahre hielt es ihn am Marktplatz. Eine kleine Reparaturwerkstatt mit Geschäft in Trier war der nächste Plan. „Nichts Anstrengendes“, schmunzelt Berg.
Doch die alternative Szene machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Denn Berg verkaufte die Öko-Latschen eines bekannten Sandalenherstellers. Die 80er sind Boomjahre für alles, was gesund ist. „Ich habe einmal 74 Paare an einem Tag verkauft.“ Auch Krankenhäuser und das Priesterseminar klopften an, Bestellungen kamen sogar aus England.
Und von dort kommen die Sandalen bis heute zur Reparatur zurück. Dann steht Berg in seiner kleinen Werkstatt im Erdgeschoss, wo es nach Lederfett und Schuhcreme riecht. Denn so ganz kann es der Mann mit dem festen Händedruck auch als Rentner nicht lassen. Als er 70 Jahre alt wurde, hat er das Geschäft an seinen Sohn Rudolf übergeben und trotzdem noch vier Jahre weiter gearbeitet. Freizeit war für Berg immer ein Fremdwort. „Bis zum Rentenalter habe ich kein einziges Mal Urlaub gemacht.“ Fit hält sich Berg heute mit Radtouren an der Mosel. „Täglich, bei Wind und Wetter“, sagt er. Sein Plan für die Zukunft: Er möchte einen Internetkursus besuchen. „Dann kann ich die Aktienkurse besser im Blick behalten.“ Berg ist immer noch Geschäftsmann.
Von Tobias Thieme, Trierischer Volksfreund vom 3. Juni 2010
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