Zahl der Flüchtlinge im Kreis Pinneberg auf Rekordniveau

Mitra aus dem Iran, Mohannad und Mohammad aus Syrien, Familie Alsatouff aus Syrien: Sie alle sind Menschen, die vor Krieg und Repressalien geflohen sind, um im Kreis Pinneberg Schutz zu finden. Dort wollen sie eine neue Heimat finden.

Pinneberg. Die Zahl der Flüchtlinge im Kreis Pinneberg hat einen neuen Rekordstand erreicht. Die Kreisverwaltung hat auf Anfrage dieser Zeitung aktuelle Zahlen vorgelegt. Demnach hat das Landesamt für Ausländerangelegenheiten dem Kreis im Juli 195 Asylsuchende zugewiesen. Im Juni waren es 193.

Die Zahlen wachsen rasant. Zwischen Januar und Mai kamen monatlich im Schnitt 110 Asylsuchende im Kreis an. Die Ausländerbehörde prüft derzeit 1600 Anträge. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Afghanistan (379), Syrien (272), dem Iran (145), dem Kosovo (144) und dem Irak (112). Mehr…

„Hier ist meine politische Heimat“

Landesverkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hat die Kritik der Initiative „A 20 – sofort“, Schleswig-Holstein plane zu langsam und lasse Geld liegen, im Interview zurückgewiesen. „Die Planungen der A 20 wurden vor meiner Zeit als Minister begonnen. Tatsache ist, dass wir wegen der früheren Planungen vor Gericht unterlegen sind und Planänderungen nötig sind“, sagt der Minister.

Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) zu Gast in der Redaktion des Medienhauses A. Beig. Foto: Dirbach

Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) zu Gast in der Redaktion des Medienhauses A. Beig.
Foto: Dirbach

Pinneberg. Verstopfte Straßen, schwache Internetverbindungen, Bahnverbindungen am Limit: Es gibt viele Baustellen im Kreis Pinneberg, auf denen die Unterstützung des schleswig-holsteinischen Verkehrs- und Wirtschaftsministers gefragt ist. Im Gespräch sagt Reinhard Meyer (SPD), dass er in Kiel ein lauter Fürsprecher für die Region sein will. Mehr…

„Der Judenhass wird stärker“

Wolfgang Seibert von der jüdischen Gemeinde Pinneberg befürchtet zunehmend offenen Antisemitismus in Deutschland

Nachdem sich der schleswig-holsteinische Landesrabbiner Walter Rothschild in Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (SHZ) zum Gaza-Konflikt geäußert hat, spricht Wolfgang Seibert, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Pinneberg, über judenfeindliche Demos und wachsenden Hass in Deutschland.

Wolfgang Seibert, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Pinneberg, vor der israelischen Flagge am Gemeindehaus. Foto: Thieme

Wolfgang Seibert, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Pinneberg, vor der israelischen Flagge am Gemeindehaus. Foto: Thieme

Pinneberg. „Israel vergasen.“ – „Sieg-Heil.“ – „Allah soll Israel bestrafen“: So zitieren verschiedene Tageszeitungen Demonstranten in Berlin und München. Demonstranten, die vordergründig gegen die Militäroperationen Israels im Gazastreifen protestieren, dabei jedoch völlig offen ihren Hass auf Juden in die Welt brüllen. Mehr…

Das Rennen um den Chefsessel hat begonnen

Grüne und FWG in Saarburg stellen ihre Kandidaten für die Wahl zum Verbandsbürgermeister vor

Kandidatenkür für die Wahl zum Verbandsbürgermeister: Die Grünen vertrauen auf den Wincheringer Matthias Pinnel. Die FWG unterstützt Mario Wolter aus Irsch. SPD und CDU haben sich noch nicht festgelegt.

Saarburg/Kirf. Der Wahlkampf im Saarburger Land hat begonnen. Die Bürger wählen im Herbst einen neuen Bürgermeister für die Verbandsgemeinde (VG). Zwei Parteien haben Donnerstagabend ihre Kandidaten nominiert. Die Grünen schicken Matthias Pinnel aus Wincheringen ins Rennen. Für die Freie Wählergemeinschaft (FWG) tritt Mario Wolter aus Irsch an. SPD und CDU wollen sich in den kommenden Wochen festlegen. Auf die Bürger der VG kommt ein Superwahltag zu. Sie stimmen voraussichtlich am 22. September über den neuen Bürgermeister ab. Am selben Tag sind auch Bundestags- und Landratswahlen. Der Termin muss noch vom Verbandsgemeinderat beschlossen werden. Mehr…

Ein Preußenbayer in der Eifel

Eckard Wiendl ist bei der Landtagswahl Direktkandidat der Grünen

Eckard Wiendl tritt bei der Landtagswahl als Direktkandidat der Grünen im Landkreis Vulkaneifel an. Der TV hat den Politiker daheim besucht, wo er die wenigen freien Stunden nutzt, um sich ans Klavier oder das Spinett zu setzen.

Schalkenmehren. Ungestrichener Dielenboden, auf dem man die Maserung und Augen der Holzbretter sehen kann, erstreckt sich im geräumigen Wohnzimmer von Eckard Wiendl. Die Wände sind hell, vielleicht ein bisschen kahl. Es riecht dezent nach Bioladen. Große Fenster geben den Blick frei auf die Hügellandschaft der Eifel. Dorthin hat es den Lehrer nach einigen Jahren der Wanderschaft durch die Republik verschlagen. Zur Welt kam er 1957 in Berlin, als echter Preuße sozusagen. Aufgewachsen ist er allerdings im niederbayerischen Passau.

Den bayerischen Zungenschlag hört man Wiendl deutlich an. „Im Gesangsunterricht habe ich mal Übungen gemacht, um reines Hochdeutsch zu lernen. Nach 45 Minuten klappte das. Der Dialekt ist aber wärmer als das Hochdeutsche. Das will ich beibehalten“, sagt Wiendl. Von Bayern ging es zum Abitur und Zivildienst ins schwäbische Ulm und weiter in den Breisgau, zum Studium in Freiburg. Seinen Zivildienst hat Wiendl beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemacht. „Da habe ich viel über den praktischen Natur- und Landschaftsschutz gelernt.“ Heute konzentriert er sich auf die politische Arbeit, Handarbeit ist selten geworden. Das sieht man auch seinem Garten an, groß wie ein Fußballfeld, der sich langsam aber nachhaltig in ein Wildbiotop verwandelt. An Zivilisation erinnern nur noch ein paar rutschige Gehwegplatten und ein alter Kaninchenstall, der unter wucherndem Gestrüpp hervorlugt. „Es fehlt die Zeit“, sagt Wiendl achselzuckend. Auf dem Wohnzimmertisch stapeln sich in einer Pappkladde vergilbte Zeitungsausschnitte. Bilder zeigen Wiendl – mit einer Haarpracht wie Günther Netzer. Sie zeugen von seinem letzten großen Wahlkampf. 1980 war er als Grünenkandidat gegen den späteren Finanzminister Theo Waigel angetreten. „Eine spannende Zeit“, erinnert sich Wiendl, Mitbegründer seiner Partei.

Die Küche fällt eher spärlich aus. Sie ist eng und mäßig ausgestattet. Eine Großfamilie ist ohnehin nicht zu ernähren. Wiendls Lebensgefährtin Ullrike Reichmann wohnt mit ihren beiden Kindern im Teenageralter in Trier, ist nur einige Tage in der Woche in Schalkenmehren. Eine Besonderheit gibt es aber doch: eine Kiste, in der Wiendl Aluminium von Verpackungen sammelt. „Das geht dann zu einem Metallhändler in Freiburg, wenn ich dort zu Besuch bin“, sagt er. Die wenigen freien Stunden, die Wiendl hat, nutzt er für die Musik. In seinem atomstromfrei beleuchteten Wohnzimmer stehen ein Klavier und ein Spinett, der kleine Verwandte des Cembalos. Das Talent dafür wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater, überzeugter CSU-Anhänger, mit dem Wiendl den klassischen Generationenkonflikt austrug, war bei den Regensburger Domspatzen. Seine Mutter hatte Musik studiert. Die Eifel will er nicht mehr missen, sagt Eckard Wiendl beim Blick aus dem großen Fenster. Und deswegen sei ihm der Landschaftsschutz eine Herzensangelegenheit geworden.

Von Tobias Thieme, Trierischer Volksfreund vom 4. März 2011

Hoffnungsschimmer Schrebergarten

Der Trierer Obdachlose Robert hat fast ganz Europa gesehen

Die meisten von uns nehmen sie nur am Rande wahr. Der neue Verein „Trier bewegt“ kümmert sich dagegen um die Obdachlosen in der Stadt (der TV berichtete). Wir haben einige Männer getroffen, die der Verein unterstützt. Einer von ihnen ist Robert.

Trier. Robert lebt mit zwei anderen Obdachlosen im Hinterhof eines leerstehenden Hauses in Trier. Er ist ein Sonderling, redet manchmal wirres Zeug. Aber er spricht auch vier Sprachen und kennt fast alle europäischen Länder. Fünf Jahre lang ist der Tscheche von Ort zu Ort gereist. Häufig trifft man Robert in einem kleinen Schrebergarten, in dem er sich ein bis zweimal in der Woche um die Pflanzen kümmert. Gießen, Harken, etwas Unkrautjäten: Für Robert ist das Entspannung. Und er sieht die Früchte seiner Arbeit. Die Radieschen sind reif für die Ernte.

Für ein Weilchen lässt er sich im Schatten eines Baumes nieder, nimmt einen Schluck aus dem Karton mit billigem Rotwein. Er spricht fast akzentfrei Deutsch. Robert ist 32 Jahre alt. Geboren wurde er in Marienbad, im tschechischen Sudetenland. Weil sein Vater früh starb und seine Mutter Suizid beging, lebte er bei seinem Onkel. „Mit 16 Jahren bin ich zum ersten Mal abgehauen. Ich wollte die große weite Welt sehen“, erinnert sich Robert. Sein Onkel hat ihn damals schnell wieder eingefangen. Die Sehnsucht blieb. Trotzdem machte er seinen Schulabschluss, war ein Jahr als Koch beim Militär und schaffte eine Ausbildung in der Gastronomie. Er pendelte zwischen Bayern und seiner Heimat, lebte immer dort, wo es gerade Arbeit für ihn gab. Dabei fing er an zu schlingern. Er nahm Kokain. Und Pervitin, die Droge der Wehrmachtsoldaten, die heute als Yaba oder Chrystal bekannt ist.

Die Amphetamine haben ihre Spuren hinterlassen. Warum er heute täglich den Alkohol braucht? „Weil ich die Monster loswerden will, die in meinem Körper stecken“, sagt er. Das gute Deutsch hat er von der Großmutter, ein bisschen Englisch aus der Schule. Spanisch und Französisch hat er auf seiner langen Reise durch ganz Europa gelernt. Nur Griechenland und die Türkei fehlen noch. „Ich habe gejobbt, hier und da. Oder auf der Straße Flöte gespielt“, sagt er. Robert kann gut spielen, hat sogar Stücke von Bach im Repertoire. Er schlief bei denen, die ihm Arbeit gaben oder unter freiem Himmel. Portugiesische Bauern prellten ihn um seinen Lohn, auf dem Weg nach Loch Ness stahlen ihm Ganoven seinen Rucksack, und seine Reise ans Nordkap gab er schon in Oslo auf – zu Fuß war es ihm doch zu weit.

Eigentlich wollte er irgendwann nach Holland. Ein Autofahrer nahm ihn mit bis nach Trier. „Jetzt sitze ich seit zwei Jahren in der ältesten Stadt Deutschlands. Ist schön hier.“ Die Reiselust ist ihm vergangen. Er hat eine Frau kennengelernt und will bleiben. Doch in ein geregeltes Leben zurückzufinden ist schwer. Robert hat keine Krankenversicherung, keine Ausweisdokumente. „Ich will jetzt etwas Geld sparen, um in Tschechien nach meinen Dokumenten zu suchen. Die sollten eigentlich noch bei einem Bekannten liegen.“

Bis es so weit ist, teilt er sich mit anderen Obdachlosen einen Schlafplatz. Sie kochen gemeinsam das, was sie aus den Containern der Supermärkte oder von der „Tafel“ holen. Robert grinst: „Beim Kochen sind wir richtig gut.“

Von Tobias Thieme, erschienen im Trierischen Volksfreund am 24. August 2010

Leiser Flamenco aus dem Hinterhof

Obdachlose in Trier: Musik spendet Trost im Leben auf der Straße

Seit etwa zehn Jahren lebt Jörg auf der Straße. Der Heroinkonsum hat ihn gezeichnet. Doch wenn er gut drauf ist, entlockt er seiner Gitarre Takte, die fröhlich machen. Er ist einer der Obdachlosen, die vom neuen Verein „Trier bewegt“ (der TV berichtete) unterstützt werden.

Trier. Die schwüle Hitze der Julitage hat ihm zugesetzt. Beim ersten Treffen döste Jörg nur vor sich hin, war nicht ansprechbar. Heute ist es ein paar Grad kühler, und Jörg erzählt, wie er vor Jahren auf der Straße landete. Im Schneidersitz hat er sich auf seiner löchrigen Matratze niedergelassen. Seine Hände zittern, wenn er sich eine Kippe ansteckt. Seit fünf Jahren ist er clean, nimmt kein Heroin mehr. Die Alkoholsucht blieb. Vier Jahre lang hatte er mit der Droge seinen Frust betäubt, bevor er 2005 in ein Polamidon-Programm kam. Eine Überdosis hatte ihn fast das Leben gekostet. Nach der Entgiftung kam die Therapie. „Für die Nachsorge bin ich dann 2006 nach Trier gekommen, habe sogar ein Praktikum in einem Supermarkt gemacht“, erinnert sich Jörg. Richtig Fuß gefasst hat er aber nie, bald saß er wieder auf der Straße.

Die Hauptschule hatte Jörg, Jahrgang 1969, nach der achten Klasse geschmissen. Danach hat er viel Mist gebaut. „Wir sind in einen Laden eingestiegen und haben Alkohol geklaut“, sagt er. Konsequenz: ein halbes Jahr Knast. Eigentlich hatte er Heizungsbauer werden wollen. Doch die Berufsschule hat er nach einem Jahr verlassen. „Ich habe angefangen, in einer Disko zu jobben. Zehn Jahre habe ich in diesem Laden gehangen“, sagt Jörg, der aus Saarlouis stammt.

In Saarbrücken hatte er Zwischenstation eingelegt. Dorthin war er wegen seiner damaligen Freundin gezogen, hatte seinen Job aufgegeben und lebte von Sozialhilfe. „Sie hat mich betrogen, deswegen bin ich gegangen“, sagt Jörg. Ein Weilchen hat er auf der Straße gelebt, danach ein Zimmer in einer WG gefunden, es aber auch dort nicht lange ausgehalten. „Die Mitbewohner waren gewalttätig, das habe ich nicht lange mitgemacht.“ Es war die Zeit, in der er als Junkie unterwegs war. Zwischendurch wanderte er wieder ins Gefängnis. „Beschaffungskriminalität“, sagt er. Aber nie sei er gewalttätig gewesen.

Jörg greift nach seiner Gitarre, zupft mit den knochigen Fingern ein paar Takte und starrt mit seinen rotunterlaufenen Augen ins Nirgendwo. „Ich will eigentlich nichts anderes, als Musiker sein.“ Die Griffe am Instrument sind nicht virtuos, aber schön anzuhören. Und sie machen fröhlich. Jörg spielt auch Flöte und etwas Schlagzeug. An der Gitarre ist Flamenco seine Spezialität. Zurzeit übernachtet er mit seinen Kumpeln Armin und Robert im Hinterhof eines leerstehenden Hauses. Ein großer Wunsch? „Ich brauche dringend ein Dach über dem Kopf. Der letzte Winter war hart.“ Heute ist es warm. Ein guter Tag, Flamenco zu spielen

Von Tobias Thieme, erschienen im Trierischen Volksfreund am 20. August 2010

Der Tageslohn war ein Pfund Speck

Schuhmacher Peter Berg feiert 85. Geburtstag

Er ist Geschäftsmann durch und durch, sein Schuhhaus ist eine feste Adresse in der Neustraße: Morgen, Freitag, feiert Peter Berg seinen 85. Geburtstag. Immer noch arbeitet er in der Schuhmacherwerkstatt.

Trier. Durch den Flur des Hauses Neustraße 58 wabern seichte Pfeifenschwaden. Im Wohnzimmer, erster Stock, mit ausgezeichnetem Blick auf das bunte Gewimmel der Einkaufszeile, sitzt Peter Berg an seinem Sekretär. „Die Neustraße war schon vor 26 Jahren eine belebte Einkaufsstraße“, erinnert sich Berg, der am 4. Juni 85 Jahre alt wird. Bereits damals habe es viele kleine Geschäfte gegeben. Tante-Emma-Läden, ein Eisenwarengeschäft, einen Laden für Metzgereibedarf, einen Buchhandel und später auch einen Bioladen. „Die Straße hat sich aber enorm entwickelt, früher gab es noch Durchgangsverkehr, und es war sehr laut“, sagt Berg.

1984 war es, als der Schuhmacher aus Oberpierscheid in der Eifel von Ahrweiler nach Trier und damit in die Neustraße kam, um ein Schuhgeschäft zu eröffnen. Seitdem ist das Schuhhaus Berg eine feste Adresse. Dabei ist das Geschäft eigentlich viel älter. „Meine Ausbildung habe ich noch vor dem Krieg gemacht“, erzählt Berg. Er ist im Gegenlicht des Wohnzimmerfensters nur schemenhaft zu erkennen, seine sonore Stimme hat der Pfeifentabak über die Jahre geschmeidig gemacht. „Damals musste ich als 15-Jähriger täglich sechs Kilometer zu meinem Lehrbetrieb zurücklegen, im Sommer mit dem Rad, im Winter zu Fuß.“

Als er gerade 17 Jahre alt war, schickte das Vaterland ihn an die Ostfront. „Am Anfang waren noch alle begeistert. Nach wenigen Wochen hatten die meisten begriffen, was für ein Grauen das war.“ Das war 1942. Trotz Verwundung ging der Krieg für ihn glimpflich aus, er sprang nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft in Tschechien bei Altenburg in die Elbe, wurde von Amerikanern aufgegriffen und war bei Kriegsende wieder daheim. „Ich habe meine Meisterprüfung gemacht und bin dann von Hof zu Hof gegangen, um dort Schuhe zu reparieren. Mein Tageslohn: ein Pfund Speck.“ Berg lacht. „Den habe ich dann in der Schuhstadt Pirmasens gegen vier Paar Schuhe getauscht.“ Das war der Einstieg in den florierenden Schuhhandel.

1953, kurz nach der Hochzeit mit seiner Frau Susanne, entsteht das erste Geschäftslokal in Weidingen (Eifelkreis Bitburg-Prüm). In Bergs Wohnzimmer steht eine alte Standuhr. „Sie läuft jetzt nicht, weil sie manchmal etwas zu laut ist. Habe ich damals von meinem Vermieter in Ahrweiler bekommen.“ Dorthin zog er 20 Jahre nach seiner ersten Geschäftsgründung. Zehn Jahre hielt es ihn am Marktplatz. Eine kleine Reparaturwerkstatt mit Geschäft in Trier war der nächste Plan. „Nichts Anstrengendes“, schmunzelt Berg.

Doch die alternative Szene machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Denn Berg verkaufte die Öko-Latschen eines bekannten Sandalenherstellers. Die 80er sind Boomjahre für alles, was gesund ist. „Ich habe einmal 74 Paare an einem Tag verkauft.“ Auch Krankenhäuser und das Priesterseminar klopften an, Bestellungen kamen sogar aus England.

Und von dort kommen die Sandalen bis heute zur Reparatur zurück. Dann steht Berg in seiner kleinen Werkstatt im Erdgeschoss, wo es nach Lederfett und Schuhcreme riecht. Denn so ganz kann es der Mann mit dem festen Händedruck auch als Rentner nicht lassen. Als er 70 Jahre alt wurde, hat er das Geschäft an seinen Sohn Rudolf übergeben und trotzdem noch vier Jahre weiter gearbeitet. Freizeit war für Berg immer ein Fremdwort. „Bis zum Rentenalter habe ich kein einziges Mal Urlaub gemacht.“ Fit hält sich Berg heute mit Radtouren an der Mosel. „Täglich, bei Wind und Wetter“, sagt er. Sein Plan für die Zukunft: Er möchte einen Internetkursus besuchen. „Dann kann ich die Aktienkurse besser im Blick behalten.“ Berg ist immer noch Geschäftsmann.

Von Tobias Thieme, Trierischer Volksfreund vom 3. Juni 2010